Sinéad O'Connor ist durch das Lied «Nothing Compares 2 U» bekannt geworden. Erste Reaktionen aus Politik und Musik würdigen die 56-Jährige nicht nur für ihre musikalische Karriere, sondern auch als eine mutige Person, die für ihre Überzeugungen einstand.
Corina Gall, Sonja Blaschke
5 min
Die irische Sängerin Sinéad O’Connor ist im Alter von 56 Jahren gestorben. Dies meldete die «Irish Times» am Mittwoch und zitierte eine Mitteilung der Familie: «Mit grosser Traurigkeit geben wir den Tod unserer geliebten Sinéad bekannt. Ihre Familie und Freunde sind am Boden zerstört und bitten in dieser sehr schwierigen Zeit um Privatsphäre.» Über die Todesursache ist bis anhin nichts bekannt.
Sinéad O’Connor berührte einst mit dem Prince-Cover «Nothing Compares 2 U» (1990) Menschen auf der ganzen Welt. Eine grosse Rolle spielte dabei das begleitende Musikvideo. Es konzentrierte sich auf ihr Gesicht mit den grossen, seelenvollen Augen. O’Connor blickte direkt in die Kamera, mit dem fast kahlgeschorenen Kopf, der ihr Markenzeichen werden sollte. O’Connor weinte im Video. Wie sie später sagte, wurden die Emotionen ausgelöst durch die Erinnerung an ihre Mutter, die 1985 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Die Musikerin nahm während ihres Lebens zehn Alben auf, konnte jedoch nie mehr an den kommerziellen Erfolg dieses Songs anknüpfen.
Reaktionen auf ihren Tod
Der frühe Tod der Sängerin, deren wechselvolles persönliches Leben in den vergangenen Jahren ihre musikalische Karriere überschattet hatte, hat in ihrem eigenen Land, aber auch weit darüber hinaus die Menschen berührt. Und so vielseitig und widersprüchlich wie die irische Künstlerin selbst sind auch die Reaktionen auf ihr Ableben.
Der irische Präsident Michael D. Higgins bezeichnete sie in einer Erklärung, die auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht ist, als «eine der grössten und begabtesten Komponistinnen, Songschreiberinnen und Interpretinnen der vergangenen Jahrzehnte» und als «einzigartiges Talent», das sein Land verloren habe: «Man konnte nicht umhin, von der Tiefe ihres furchtlosen Engagements für die wichtigen Themen, die sie in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit brachte, beeindruckt zu sein, egal wie unbequem diese Wahrheiten auch gewesen sein mögen.»
Der irisch-amerikanische Tänzer Michael Flatley, bekannt für die irische Tanz-Show «Lord Of The Dance», schrieb: «Liebe Sinéad, ich bete, dass deine geplagte Seele Frieden gefunden hat. Mögest du jetzt mit den Engeln im Himmel singen.»
Die amerikanische Sängerin Tori Amos, ihrerseits ebenfalls ein unkonventionelles Ausnahmetalent, postete ein Foto der jungen Sinéad O'Connor und bezeichnete diese als «Naturgewalt». Sie würdigte ihre «intensive Präsenz» und ihren «mutigen Kampf gegen persönliche Dämonen».
Sinead was a force of nature. A brilliant songwriter & performer whose talent we will not see the like of again. Such passion, such intense presence & a beautiful soul, who battled her own personal demons courageously. Be at peace dear Sinead, you will forever be in our hearts. t pic.twitter.com/lJVhGfuTPA
— tori amos (@toriamos) July 26, 2023
Aber auch Musiker aus einem völlig anderen Genre zeigten sich berührt vom Tod der Sängerin. So schrieb der amerikanische Rapper Ice T: «Respekt an Sinéad. Sie stand für etwas... Anders als die meisten Menschen. Rest Easy.»
Die amerikanische Schauspielerin Jamie Lee Curtis erinnert sich an ein besonderes Konzert und einen gemeinsamen Besuch eines Musikfestivals: «Ich habe Sinéad einmal a cappella in einer leeren Kapelle in Irland singen hören. Die Kapelle war gerade im Bau und befand sich im Privathaus unseres Gastgebers. Es war eines der schönsten Stücke, die ich je in meinem Leben gehört habe. Danach haben wir uns gemeinsam Eminem auf einem Festival angesehen. Ich liebte sie. Ihre Musik. Ihr Leben.»
Die britische Band Massive Attack, die die Sängerin im Tonstudio erlebte, zollte ihr ebenfalls Tribut: «Wir sind am Boden zerstört. Zeuge ihrer Stimme, ihrer Intimität im Studio sein zu dürfen. Auf der Strasse blieben alle stehen, liessen alles stehen und liegen, während sie sang. Das Feuer in ihren Augen liess einen verstehen, dass ihr Aktivismus ein tief empfundener Reflex war und keine politische Geste.»
— Massive Attack (@MassiveAttackUK) July 26, 2023
Schwierige Kindheit
Sinéad O’Connor wuchs mit vier Geschwistern in der Nähe von Dublin auf. Die Mutter war alkoholkrank. O’Connor erlebte Gewalt und Missbrauch, zuerst zu Hause und später im Internat. Einer ihrer Brüder, der gefeierte Romanautor Joseph O’Connor, erinnerte sich in einem Interview an die Schrecken der gemeinsamen Kindheit. Joseph O’Connor sagte, er halte es bis heute kaum aus, die Musik seiner Schwester zu hören: «Es tut mir zu sehr weh. Ich weiss, woher der Schmerz kommt. Ich will nicht daran erinnert werden.»
Sinéad O’Connor zog als Teenager nach London und wurde als Musikerin schnell erfolgreich. Den Durchbruch schaffte sie mit «Nothing Compares 2 U», das auf ihrem zweiten Album erschien. Doch bereits ab den frühen neunziger Jahren geriet in der Karriere von O’Connor die Musik vermehrt in den Hintergrund.
Sie machte weitere, weniger erfolgreiche Alben, bekam vier Kinder von vier Männern, zog nach Los Angeles und wieder zurück nach Dublin. Sie wechselte mehrfach ihre Namen und ihre Identität. Eine grosse Rolle spielte die Religion.
Konversion zum Islam
Bei einem Live-Auftritt im amerikanischen Fernsehen zerriss sie 1992 ein Bild des Papstes Johannes Paul II. Sie tat dies als Reaktion auf die langsam bekanntwerdenden Missbrauchsskandale der katholischen Kirche. O’Connors Auftritt dominierte danach weltweit die Schlagzeilen und wirkte sich nachhaltig auf ihre Musikkarriere aus. Ihre Alben verkauften sich weniger gut, jeder hielt sie für verrückt.
Sinéad O’Connor 2014 bei Konzerten in Mailand (links) und 2019 in Ungarn (rechts).
Als weiterer Akt gegen die katholische Kirche liess O'Connor 1996 als Dreissigjährige zur Priesterin weihen – von der orthodox-katholischen und apostolischen Kirche von Irland, die von der katholischen Kirche nicht anerkannt wird. O’Connor trug danach den Ordensnamen Mother Bernadette Mary. Knapp zehn Jahre später wechselte sie ihren Namen erneut. Nun hiess sie Magda Davitt, um sich, wie sie sagte, vom «Fluch ihrer Eltern zu befreien».
Im Jahr 2018 verkündete Sinéad O’Connor auf ihrem Twitter-Konto, sie sei zum Islam konvertiert. Sie veröffentlichte zehntausendfach angesehene Videos, die sie mit einem Hijab zeigen. Sie schrieb, dass sie einen neuen Namen angenommen habe, Shuhada’ Sadaqat. Und sie wolle nie wieder Zeit mit nichtmuslimischen «weissen Menschen» verbringen. Auf Konzerten trat sie mit Kopftuch auf.
Im Januar 2022 beging O’Connors Sohn Shane Lunny im Alter von 17 Jahren Suizid. Shane war damals nach zwei Suizidversuchen im Spital und befand sich laut Berichten in der Obhut der staatlichen Institution Tusla, die Kinder und Familien unterstützt. O’Connor kritisierte die Institution danach scharf, da ihr Sohn aus dem Spital fliehen konnte.
Sinéad O’Connor litt an einer schweren manisch-depressiven Erkrankung, über die sie in Videos und Interviews offen sprach. 2011 drohte sie auf Twitter mehrfach mit Suizid. Wenige Monate später sagte sie ihre geplante Tour wegen der Erkrankung ab.
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Marion Löhndorf